Waren die Tempelritter wirklich hier? Die Dorfkirche ist die älteste Spur der Entdeckungstour. Sie verweist auf die spannende, wechselhafte Geschichte und auf die Ursprünge Tempelhofs im Mittelalter.
„Das Mittelalter war hell, bunt, dramatisch und international.“
Einblicke in den Templerorden: Die Tempelritter sind sagenumwoben. Doch worum ging es dem christlichen Ritterorden und warum ließ er sich in Tempelhof nieder? Der Mittelalter-Experte Dr. Ralf Lützelschwab verrät die Fakten hinter dem Mythos.
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Mein Name ist Ralph Lützelschwab. Ich bin Historiker und unterrichte an der Freien Universität Berlin. Besonders beschäftige ich mich mit der Kirchen- und Ordensgeschichte des späten Mittelalters, also der Zeit vom 12. bis zum beginnenden 16 Jahrhundert, einer faszinierenden Zeit. Dass das Mittelalter dunkel war, stimmt nicht. Das Beispiel der Templer zeigt, wie hell, wie dramatisch und bunt und ausgesprochen international es im Mittelalter zugehen konnte.
Das Geschäft des Historikers ist manchmal kompliziert. Historiker sind auf Quellen angewiesen. Das können schriftliche oder auch archäologische Quellen sein. Im Fall von Tempelhof fließen sie sehr spärlich. Ein Archiv oder eine Bibliothek hat sich nicht erhalten. Aber auch aus dem Wenigem lassen sich Rückschlüsse ziehen. Dabei muss man aber eines im Hinterkopf behalten Je weniger Quellen es gibt, desto größer ist die Spannbreite der Hypothesen und Spekulationen. Anders ausgedrückt und auf Tempelhof bezogen: Es existieren mehrere Erklärungsversuche, weshalb sich die Templer gerade dort ansiedelten. Am wahrscheinlichsten ist es wohl, dass die Gründung auf zwei Markgrafen von Brandenburg zu Beginn des 13. Jahrhunderts zurückgeht. Der eine war ins Heilige Land, d.h. nach Jerusalem gepilgert, der andere hatte dort gar als Kreuzfahrer gekämpft. Dabei durften sie die Templer direkt vor Ort kennen und schätzen gelernt haben. Was lag also näher, als diesen Ritterorden ins Grenzgebiet zu noch heidnischen Stämmen zu holen? Quasi als Speerspitze der Christianisierung und fähiger und international gut vernetzter Partner beim Landesausbau? Die Gründung selbst erfolgte jedenfalls sehr viel früher als der in schriftlichen Quellen überlieferte erste Beleg, der erst aus dem Jahr 1290 stammt.
In Tempelhof gründete man eine sogenannte Kommende. Darunter versteht man die unterste selbstständige Verwaltungseinheit bei einem Ritterorden. Wir haben es mit einer kleinen einfachen Niederlassung zu tun, der kleinsten in der Mark Brandenburg. Die Anlage wurde wohl als eine Art kleine Wasserburg konzipiert, zugänglich über eine Brücke und ein Torhaus. Es gab eine Ordenskirche, die heutige Dorfkirche, ein Ordenshaus mit einem Turm, einen Stall und einen Küchengarten. Insgesamt reden wir über 16 Hektar Land, das wohl in Eigenwirtschaft beackert wurde. Das war aber nicht der einzige Besitz. Hinzugerechnet werden müssen umfangreiche Land- und Ackerflächen in Marienfelde und Mariendorf, sodass im 14. Jahrhundert insgesamt rund 200 Hektar zur Kommende gehörten. Handel betrieb man nur in geringem Umfang. Wirtschaftlich setzte man auf Autarkie.
Wer waren nun aber die Tempelritter, die diese Kommende aufbauten und betreuten? Denn immerhin galten die Templer als mächtigster und reichste Ritterorden der Christenheit mit großem Einfluss an sämtlichen Königshöfen Europas. Um 1120 verbanden sich einige französische Ritter zu einer Genossenschaft, deren Ziel der Schutz der Jerusalem-Pilger und des Grabes Christi in Jerusalem war. Da sie sich in unmittelbarer Nähe zum Tempel Salomons niederließen, nannte man sie Templer. Ungefähr zur gleichen Zeit entstanden mit den Johannitern und dem Deutschen Orden zwei weitere Ritterorden, die ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung der Kreuzfahrer-Herrschaft im Heiligen Land spielten.
Die Templer richteten ihr Leben an den drei Gelübden Keuschheit, Armut und Gehorsam aus. Neu war allerdings die Verbindung dieser drei herkömmlichen Gelübde mit einem vierten, dem bewaffneten Kampf. In der mehr oder minder streng gegliederten Gesellschaft des Mittelalters sorgte dies für Aufsehen, denn damit wurde das Sozialgefüge, das bisher streng zwischen Beratern, Kämpfern und Arbeitern unterschieden hatte, aufgebrochen. Es existierte nun eine herausgehobene Gruppe, in der menschliches Leben und Kampf miteinander verbunden werden konnten. Das war für sehr viele sehr attraktiv. Man kämpfte gegen die Heiden, zunächst im Heiligen Land, in Palästina, bald aber auch in Spanien und an anderen Orten, wo man dem Christentum zum Sieg verhelfen wollte. Der Orden, der zu seinen Glanzzeiten im 13. Jahrhundert höchstens 12.000 Mitglieder umfasste, erhielt viele Schenkungen und Privilegien und wurde sehr reich. Die Erträge aus den europäischen Besitzungen dienten vor allem der Finanzierung der eigentlichen Aufgaben des Ordens im Heiligen Land. Reichtum bedingter politischer Einfluss, Macht und Reichtum aber sollten zum Untergang der Templer führen.
1291 fiel mit der Hafenstadt Akkon der letzte Stützpunkt der Kreuzfahrer Herrschaft im Heiligen Land. Damit wurden auch bei den Templern diejenigen materiellen und ideologischen Grundlagen zerstört, die bisher das Handeln bestimmt hatten. Ja, man verlor das Heilige Land, doch die umfangreichen Besitzungen in Europa blieben. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts waren die Templer insbesondere dem französischen König ein Dorn im Auge. Der König brauchte Geld, die Templer besaßen es im Überfluss. Der König wollte die alleinige Macht in seinem Königreich. Die Templer hatten deutlich zu viel davon und zeigten Tendenzen, einen Staat im Staate zu bilden. In den Augen des französischen Königs musste man gegen sie vorgehen, musste ihre Macht beschnitten werden. Das Problem dabei: Die Templer unterstanden nicht dem König, sondern dem Papst. Wie gut, dass die Päpste damals nicht in Rom, sondern in Avignon residierten und ihnen an einem guten Einvernehmen mit dem französischen König gelegen sein musste. Und dieser nutzte seine Chance. Am Freitag, den 13. Oktober 1307, wurden die Niederlassungen der Templer in Frankreich umstellt und ihre Bewohner gefangen genommen. Immerhin rund 1000 Ordenshäuser waren von dieser Aktion betroffen. Anklagepunkte wurden konstruiert, Prozesse geführt und nach mehrjährigem Hin und Her endete 1312 die Existenz des Ordens schließlich mit seiner Auflösung durch den Papst. Die Ordensspitze wurde hingerichtet. Die Besitzungen aber gingen an die Johanniter über. So auch in Tempelhof, wo die Lehnshoheit der Johanniter über die Güter bis 1810 bestehen blieb. Der Mythos vom sagenhaften Reichtum der Templer hat im Laufe der Jahrhunderte dazu geführt, dass viele Niederlassungen von oben bis unten auf der Suche nach vermeintlichen Schätzen umgegraben wurden. Und immer wieder vermutete man dort Geheimgänge, die direkt zu den Schätzen führen sollten, wie es etwa auch in Tempelhof der Fall war.
Im Namen Tempelhof steckt ein Stück Stadtgeschichte. 1210 erhielten die Tempelritter ein Waldgebiet auf dem Teltow. Die Templer waren der erste militärisch-christliche Ritterorden und als eine Eliteeinheit direkt dem Papst unterstellt. In Tempelhof errichteten sie im Mittelalter einen Ordenssitz. Er bestand aus einem Wohnhaus mit Garten, einem Stall und einer dazugehörigen Landwirtschaft. Diese lag außerhalb der Mauern und wurde von einem Gutshof, dem sogenannten Vorwerk, aus bestellt und geführt. Den Mittelpunkt des Ordenssitzes bildete die Kirche. Bis heute ist die Aufgabe der Templer vor Ort nicht geklärt. Eine Theorie ist, dass das Ordensgebiet als Schutzgrenze diente, um die Ländereien der Askanier, der wettinischen Markgrafen, der Erzbischöfe von Magdeburg oder das der Herzöge von Schlesien und Pommern voneinander abzutrennen. Die Existenz der Templer vor Ort wurde rückwirkend bestätigt, nur vereinzelte Erwähnungen in Kauf- oder Schenkungsurkunden verweisen auf „Templo“, „Tempelhove“ oder „Tempelhoffe“ hin.
Als 1312 Papst Clemens V. den Templerorden auflöste, gingen die Ländereien an den Ritterorden der Johanniter über. Der Johanniterorden musste das Gebiet lange Zeit gegen die damalige Doppelstadt Berlin-Cölln verteidigen. 1435 verkauften die Johanniter das umkämpfte Gebiet nach langjährigen Konflikten für einen hohen Preis an Cölln. In den Jahren danach folgten zahlreiche Besitzwechsel. Bis Ende des 19. Jahrhunderts gehörten das Rittergut Tempelhof und die dazugehörigen Gehöfte unterschiedlichen Markgrafen, Kurfürsten, bürgerlichen Privatpersonen und Gutsverwaltern. Einige dieser Personen sind noch bekannt: Von 1630–1640 lag Tempelhof im Besitz Adam Graf von Schwarzenbergs. 1640 enteignete ihn der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm und übernahm Tempelhof für die nächsten zehn Jahre. Ab 1650 bis zu ihrem Tod 1667 gehörte das Gut Tempelhof Luise Henriette, der Gemahlin des Kurfürsten Friedrich Wilhelm. Carl Franz von Reinhardt lebte von 1749 bis 1765 auf dem Gut und pflegte es gemeinsam mit seiner Gattin Charlotte. Sie führte das Gut nach Reinhardts Tod bis 1796 weiter. Ihre Töchter verkaufen an Friedrich Heinrich von Podewil. Zum Ende des 19. Jahrhunderts lebte der Gutsverwalter Moiske im alten Gutshaus, bis dieses im Jahre 1900 abgerissen wurde.
Die Tempelhofer Dorfkirche bildet eine Besonderheit: Sie ist die größte mittelalterliche Dorfkirche Berlins. Mitte des 13. Jahrhunderts wurde sie auf den Grundmauern einer Kirche errichtet, die schon vorher dort gestanden hatte. Umbauten und Zerstörungen führten im Laufe der Zeit dazu, dass sich die Architektur der Kirche immer wieder veränderte. 1848 wurden die Fenster der Seiteneingänge und der Pforte umgestaltet. 1944 beschädigten Fliegerbomben die Kirche stark. Von 1954 bis 1956 wurde die Kirche wieder aufgebaut. Das Portal, die Sakristei und Fenster im romanischen Stil kamen hinzu. Die Wiederherstellung des Turms der Dorfkirche in Fachwerk erfolgte 1956. Auch die Innenausstattung der historischen Kirche ist beachtlich und besitzt heutzutage einen hohen kunsthistorischen Wert. Ein zentrales Element ist der sogenannte Katharinenaltar im Inneren. Das Altarbild mit seinen drei Flügeln, ein sogenanntes Triptychon, wurde vom Maler Daniel Fritsch geschaffen. Der Taufstein der Dorfkirche befindet sich, ebenso wie eine Pietà aus Holz, heutzutage in der Sammlung des Märkischen Museums Berlin.