Rathaus Tempelhof

Wer entscheidet eigentlich für Tempelhof? Das Rathaus entsteht im Nationalsozialismus. Dieser beeinflusst auch die Architektur: es gibt keinen Raum zum demokratischen Mitbestimmen! Heute ist das anders – aber was ist eigentlich aktuell im Tempelhofer Rathaus?

„Diskutieren und Mehrheiten finden“

Eure Stimmen zählen – ihr könnt was bewegen! Leia und Carlo vom Kinder- und Jugendparlament (KJP) Tempelhof-Schöneberg erzählen, wie das KJP Politik mitbestimmt und wie der Weg von der Idee bis zur Umsetzung eines Antrages aussieht.

Ein Ort des Volkes?

In Tempelhofs Mitte

Ab 1914 plante der damalige Stadtbaurat in Tempelhof, ein Rathaus am heutigen Standort zu errichten. Doch der Erste Weltkrieg verhinderte den Baubeginn. Tempelhof wurde zum 13. Bezirk – ganz ohne Rathaus, als 1920 in einer Reform Groß-Berlin gegründet wurde. Erst 1936 bis 1938 kam es mit dem Architekten Helmut Delius zum Bau. Der Vorgängerentwurf von 1914 stammte von Fritz Bräuning und war von dem Architekten neoklassizistisch angelegt. Bräuning wurde jedoch aus politischen Gründen entlassen. Delius errichtete ein Gebäude im Stil der Neuen Sachlichkeit. Nur der quadratische Rathausturm hat klassizistische Anklänge. Er ist 41 Meter hoch und markiert die Tempelhofer Mitte. Er durfte nicht höher werden, da eine Höhe über 41 Meter den Flugverkehr am Flughafen Tempelhof gestört hätte. Im Inneren befindet sich eine Ehrenhalle mitsamt Galerie, die einmal rund um den quadratischen Grundriss läuft. Im ersten Stock der Halle ist eine Sammlung von Porträts aller bisherigen Tempelhofer Bürgermeister untergebracht.

Zeit der Diktatur

Rathäuser sind Orte der Stadtpolitik und Gesellschaft. In ihnen finden demokratische Debatten statt, Beschlüsse und Verordnungen werden diskutiert und verabschiedet. Normalerweise hat ein Rathaus dafür einen Plenarsaal, in dem die gewählte Vertretung debattiert. Das Rathaus Tempelhof wurde zunächst ohne Plenarsaal erbaut. Dies setzte zur Zeit des Nationalsozialismus ein deutliches Zeichen: Das Volk konnte und sollte die Politik nicht mitbestimmen dürfen. Auch in der Innengestaltung spiegelte sich die Ideologie des Nationalsozialismus in Form von Hakenkreuzen wider. Diese Gestaltungselemente wurden nach Kriegsende entfernt. In Tempelhof entstanden während der NS-Zeit die ersten frühen Konzentrationslager, beispielsweise im SA-Lokal „Birkenwäldchen“, im Columbia-Haus oder in den Kasernengebäuden an der General-Pape-Straße. Bei der Bezirkswahl vom 12. März 1933 erreichte die NSDAP in Tempelhof die höchsten Stimmanteile in der Bevölkerung. Wie viele der vor 1933 in Tempelhof lebenden Jude den NS-Terror überlebten, emigrierten oder ermordet wurden, ist unklar. Punktuell gründeten sich in Tempelhof Widerstandsbewegungen, einerseits sozialistischer und kommunistischer Art, aber auch in den evangelischen und katholischen Kirchen.

Anlaufstelle im Stadtteil

Erst 1969 wurde das Gebäude um einen Sitzungssaal erweitert. Der Architekt Willy Kreuer ergänzte den alten Bau hierfür um einen eingeschossigen Anbau auf Betonstützen. In den 1970er bis 1990er Jahren hatte hier die Galerie im Rathaus ihre Glanzzeit. Neben Ausstellungen zu Berliner Kunstschaffenden zeigte die Galerie kulturhistorische Ausstellungen. Zuvor hatten bereits in den Räumen des Rathauses und des Turms Ausstellungen zu regionalen Themen, wie unter anderem der Heimatforschung, stattgefunden. 1970 wurden zudem die Räume der Stadtbücherei renoviert, die sich seit der Errichtung 1938 im Rathaus befanden. Circa 20.000 Bücher wurden dort als Freihandbibliothek geführt, bevor die Bücherei Ende der 1970er Jahre einen eigenen Bau erhielt. Seit 2001 sind Tempelhof und Schöneberg ein Bezirk. Die Bezirksverordnetenversammlung tagt heute in Schöneberg. Im Rathaus Tempelhof befinden sich verschiedene Ämter, wie Bürgeramt, Ordnungsamt und das Amt für Soziales. Im Zuge der Umgestaltung der Neuen Mitte Tempelhof soll das Rathaus einen Anbau erhalten, um für die wachsende Verwaltung neue und moderne Arbeitsplätze schaffen zu können.