Wer entscheidet eigentlich für Tempelhof? Das Rathaus entsteht im Nationalsozialismus. Dieser beeinflusst auch die Architektur: es gibt keinen Raum zum demokratischen Mitbestimmen! Heute ist das anders – aber was ist eigentlich aktuell im Tempelhofer Rathaus?
„Diskutieren und Mehrheiten finden“
Eure Stimmen zählen – ihr könnt was bewegen! Leia und Carlo vom Kinder- und Jugendparlament (KJP) Tempelhof-Schöneberg erzählen, wie das KJP Politik mitbestimmt und wie der Weg von der Idee bis zur Umsetzung eines Antrages aussieht.
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Hey, wir sind Leia und Carlo aus dem Kinder- und Jugendparlament Tempelhof-Schöneberg.
Vielleicht fragst du dich jetzt, warum gerade wir an dieser Stelle zu hören sind. Weil im Bezirk Tempelhof-Schöneberg nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder und Jugendliche seit über 17 Jahren Politik machen. Wie? Das möchten wir dir in den kommenden Minuten gerne erzählen.
Im Kinder- und Jugendparlament Tempelhof-Schöneberg – kurz KJP – treffen sich junge Menschen im Alter von sechs bis 21 Jahren. Gewählt werden sie in den Schulen, in den Freizeiteinrichtungen und in der Jugendverbandsarbeit im Bezirk. Sie sind für ein Schuljahr im Amt und haben die Möglichkeit Wünsche, Ideen und Anregungen an die Bezirkspolitik weiterzureichen. Und wie geht das?
Indem wir Anträge formulieren, diskutieren und eine Mehrheit unter den Mitgliedern des Kinder- und Jugendparlamentes dafür finden. Wann und wo machen wir das? In den Regionalen Arbeitsgemeinschaften des Parlamentes – kurz RAGs genannt. Von denen gibt es drei – Schöneberg/Friedenau, Tempelhof/Mariendorf und Lichtenrade/Marienfelde. Die RAGs tagen alle drei Wochen. In den Treffen der Regionalen Arbeitsgemeinschaften werden jedoch nicht nur Anträge geschrieben. Wir machen auch Kiezrundgänge, besuchen gemeinsam das Abgeordnetenhaus und den Bundestag. Wir starten aber auch Projekte wie beispielsweise den „Dialogbriefkasten“.
Wie genau der „Dialogbriefkasten“ funktioniert, kannst du auf unserer Internetseite nachlesen, denn eigentlich waren wir gerade bei den Regionalen Arbeitsgemeinschaften des Kinder- und Jugendparlamentes.
Diese haben nämlich noch eine weitere wichtige Aufgabe. Sie wählen in ihrem ersten Treffen die Mitglieder des Vorstandes. Aus jeder RAG können bis zu drei Kinder und/oder Jugendliche in den Vorstand entsandt werden. Und was macht dann der Vorstand des Parlamentes genau?
Der Vorstand übernimmt einerseits repräsentative und anderseits organisatorische Aufgaben. Er besucht Veranstaltungen und Diskussionsrunden, um die Meinungen und Perspektiven der Kinder und Jugendlichen aus dem Bezirk zu vertreten und ihren Anliegen Gehör zu verschaffen. Er berichtet beim Jugendhilfeausschuss, indem das Parlament einen eigenen Sitz hat, von der Arbeit der beteiligten Kinder und Jugendlichen. Der Vorstand trifft sich auch mit Mitgliedern anderer KJPs und Beteiligungsgremien – nicht nur aus Berlin und anderen Städten Deutschlands, sondern auch über die Landesgrenzen hinaus.
Zu den wichtigsten Aufgaben des Vorstandes gehören die (Mit-)Planung und Durchführung der Plenarsitzungen und die Vorbereitung und Moderation der Treffen der Regionalen Arbeitsgemeinschaften.
Unterstützt werden sowohl die Mitglieder des Vorstandes als auch die des Parlamentes selbst von einer Mitarbeiterin des Jugendamtes Tempelhof-Schöneberg und zwei Honorarkräften.
Jetzt habt ihr schon so einiges über das Parlament, dessen Mitglieder und Arbeitsgruppen erfahren. Im Folgenden möchten wir euch noch erzählen, was passiert, wenn ihr einen Antrag im KJP stellt.
In der Plenarsitzung im März werden die bis dahin erarbeiteten Anträge von allen KJP-Mitgliedern diskutiert und abgestimmt. Wenn ein Antrag eine Mehrheit unter den Kinder- und Jugendparlamentarier_innen findet, wird er an die Bezirkspolitik weitergereicht. Nach einer 1. Abstimmung in der Bezirksverordnetenversammlung, – kurz BVV – dem Parlament des Bezirkes, werden die Anträge der KJP-Mitglieder an die Fachausschüsse der Bezirksverordnetenversammlung weitergeleitet. Je nach Anliegen erhalten die KJPler_innen dann eine Einladung in den zuständigen Ausschuss.
Habe ich als Mitglied des Kinder- und Jugendparlamentes beispielsweise einen Antrag für einen Zebrastreifen vor meiner Schule gestellt, so werde ich in die Sitzung des Ausschusses für Straßen und Verkehr eingeladen. Doch was bedeutet das genau?
Ich werde in den zuständigen Ausschuss der Bezirksverordnetenversammlung eingeladen, kann meinen Antrag den Mitgliedern des Ausschusses vorstellen, Fragen zu diesem beantworten und die Diskussion und Beschlussempfehlung des Ausschusses zu meinem Anliegen miterleben. Und was passiert dann? Die Beschlussempfehlung des Ausschusses wird in der Bezirksverordnetenversammlung noch einmal diskutiert und abgestimmt. Wenn mein Antrag auch hier eine Mehrheit gefunden hat, wird er an die Verwaltung zur Umsetzung weitergeleitet.
War das schon alles, was wir so machen? Nein! Denn außerhalb unserer regulären Aktivitäten arbeiten wir oft an Projekten. Für diese gründen wir extra Gruppen. Alle aus dem Parlament, egal, ob Vorstandsmitglied oder nicht, können sich an diesen beteiligen. Aktuell haben wir zwei Projekte – das „Dialogbriefkasten“-Projekt und das „Schüler_innen-Rechte-Plakat“-Projekt. Die Gruppe des „Schüler_innen-Rechte-Plakat“-Projektes hat es sich zum Ziel gesetzt, den Rechten von Schüler_innen mehr Gehör zu verschaffen und Schüler_innen auf ihre eigenen Rechte aufmerksam zu machen. Dies wollen sie umsetzen, indem sie Plakate mit 11 wichtigen Schüler_innen-Rechten entwickeln, welche dann in Klassenräumen in Berlin aufgehängt werden sollen. Wir aus dem KJP hoffen, mit diesem Projekt den Schulalltag von Schüler_innen angenehmer und gerechter machen zu können.
Aber wir machen noch viel mehr! Was genau – das erfährst du auf unserer Internetseite.
Wenn dieser Podcast dein Interesse geweckt hat und auch du dich an der Gestaltung des Bezirkes beteiligen möchtest, dann schau doch einfach auf unserer Internetseite www.berlin.de/kjp-ts/ vorbei oder besuche uns auf Instagram unter @kjpts.
Wir freuen uns auf dich!
Ab 1914 plante der damalige Stadtbaurat in Tempelhof, ein Rathaus am heutigen Standort zu errichten. Doch der Erste Weltkrieg verhinderte den Baubeginn. Tempelhof wurde zum 13. Bezirk – ganz ohne Rathaus, als 1920 in einer Reform Groß-Berlin gegründet wurde. Erst 1936 bis 1938 kam es mit dem Architekten Helmut Delius zum Bau. Der Vorgängerentwurf von 1914 stammte von Fritz Bräuning und war von dem Architekten neoklassizistisch angelegt. Bräuning wurde jedoch aus politischen Gründen entlassen. Delius errichtete ein Gebäude im Stil der Neuen Sachlichkeit. Nur der quadratische Rathausturm hat klassizistische Anklänge. Er ist 41 Meter hoch und markiert die Tempelhofer Mitte. Er durfte nicht höher werden, da eine Höhe über 41 Meter den Flugverkehr am Flughafen Tempelhof gestört hätte. Im Inneren befindet sich eine Ehrenhalle mitsamt Galerie, die einmal rund um den quadratischen Grundriss läuft. Im ersten Stock der Halle ist eine Sammlung von Porträts aller bisherigen Tempelhofer Bürgermeister untergebracht.
Rathäuser sind Orte der Stadtpolitik und Gesellschaft. In ihnen finden demokratische Debatten statt, Beschlüsse und Verordnungen werden diskutiert und verabschiedet. Normalerweise hat ein Rathaus dafür einen Plenarsaal, in dem die gewählte Vertretung debattiert. Das Rathaus Tempelhof wurde zunächst ohne Plenarsaal erbaut. Dies setzte zur Zeit des Nationalsozialismus ein deutliches Zeichen: Das Volk konnte und sollte die Politik nicht mitbestimmen dürfen. Auch in der Innengestaltung spiegelte sich die Ideologie des Nationalsozialismus in Form von Hakenkreuzen wider. Diese Gestaltungselemente wurden nach Kriegsende entfernt. In Tempelhof entstanden während der NS-Zeit die ersten frühen Konzentrationslager, beispielsweise im SA-Lokal „Birkenwäldchen“, im Columbia-Haus oder in den Kasernengebäuden an der General-Pape-Straße. Bei der Bezirkswahl vom 12. März 1933 erreichte die NSDAP in Tempelhof die höchsten Stimmanteile in der Bevölkerung. Wie viele der vor 1933 in Tempelhof lebenden Jude den NS-Terror überlebten, emigrierten oder ermordet wurden, ist unklar. Punktuell gründeten sich in Tempelhof Widerstandsbewegungen, einerseits sozialistischer und kommunistischer Art, aber auch in den evangelischen und katholischen Kirchen.
Erst 1969 wurde das Gebäude um einen Sitzungssaal erweitert. Der Architekt Willy Kreuer ergänzte den alten Bau hierfür um einen eingeschossigen Anbau auf Betonstützen. In den 1970er bis 1990er Jahren hatte hier die Galerie im Rathaus ihre Glanzzeit. Neben Ausstellungen zu Berliner Kunstschaffenden zeigte die Galerie kulturhistorische Ausstellungen. Zuvor hatten bereits in den Räumen des Rathauses und des Turms Ausstellungen zu regionalen Themen, wie unter anderem der Heimatforschung, stattgefunden. 1970 wurden zudem die Räume der Stadtbücherei renoviert, die sich seit der Errichtung 1938 im Rathaus befanden. Circa 20.000 Bücher wurden dort als Freihandbibliothek geführt, bevor die Bücherei Ende der 1970er Jahre einen eigenen Bau erhielt. Seit 2001 sind Tempelhof und Schöneberg ein Bezirk. Die Bezirksverordnetenversammlung tagt heute in Schöneberg. Im Rathaus Tempelhof befinden sich verschiedene Ämter, wie Bürgeramt, Ordnungsamt und das Amt für Soziales. Im Zuge der Umgestaltung der Neuen Mitte Tempelhof soll das Rathaus einen Anbau erhalten, um für die wachsende Verwaltung neue und moderne Arbeitsplätze schaffen zu können.